Paradise
2017, Installation,
Bücher und Broschüren aus unterschiedlichen Ländern, Orientteppich, Poster,
Postkarten, Glas, Zement, Gips, Jute, Sitzkissen, Zeitungen
Gesamtgröße ca. 500x300x200cm
Installationsansichten Zukunftsvisionen Festival 2017, Görlitz
Die Installation Paradise basiert auf einer Sammlung von Postern und Postkarten unterschiedlicher Größen, die auf Reisen der letzten zehn Jahre durch verschiedene Länder Asiens und Afrikas zusammengetragen wurde. Diese Poster stellen unabhängig von ihrer lokalen Herkunft zumeist drei Dinge dar: auf den meisten Postern sieht man idealisierte, teils überspitzte Darstellungen eines wohlhabenden Lebens anhand von schönen Häusern, Autos, Gärten, Landschaften und Lifestyle-Elementen die stark an westlichen stereotypen Lebensentwürfen orientiert sind. Als zweite Art von Postern gibt es eine Fusion aus lokalen architektonischen Elementen bzw. Monumenten die in europäisierte Landschaften eingefügt sind, die oft aus Tulpenwiesen, grünen Wäldern und Bergen bestehen. Zuletzt gibt es Poster in zumeist Postkartengröße von offensichtlich süddeutschen oder aus dem Alpenraum stammenden Stadtansichten und Bergpanoramen.
Diese “Paradieslandschaften” wurden mit einfachen grafischen Mitteln und copy-and-paste-Verfahren entworfen und sind oft noch mit einem mal mehr, mal weniger mit dem Motiv verbundenen Spruch auf Englisch versehen. In unserer Wahrnehmung stellen diese Poster eher kuriose Ausdrucksformen von Sehnsuchtsorten dar und sind vielleicht auch nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen. Durch Gespräche und Beobachtungen auf besagten Reisen konnte festgestellt werden, dass die Entsprechung zu unserem westlichen Verlangen und unserer Sehnsucht nach z.B. tropischen Stränden und unberührter Natur, bei einigen Menschen in den bereisten asiatischen und afrikanischen Gebieten meist Europa im Allgemeinen und im Besonderen die Gegend der Alpen darstellt. An diesem Punkt entsteht eine Inversion der Sehnsüchte und der jeweiligen Inhalte: der Wunsch, den Menschen in westlich geprägten und industrialisierten Ländern haben, ein unbeschwertes Leben inmitten von unberührter tropischer Natur zu führen und darin schwelgen eines Tages dorthin zu reisen bzw. auszuwandern, ist im Gegensatz dazu bei vielen außereuropäischen Menschen der “Westen”, der in ihren Augen ein paradiesisches Le-bensmodel mit Wohlstand und wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit bietet. In ihren Herkunftsländern werden diese Poster oft in der Wohnung oder im/am Haus neben anderen religiösen und popkulturellen Bildnissen aufgehängt und fungieren in ihrer Bedeutung ähnlich zu bei uns platzierten Paradiesdarstellungen in Form von Postern von tropischen Stränden oder epischen Landschaften. In Anlehnung an die o.g. vorgefundenen räumlichen Situationen findet man bei Paradise einen zum Sitzen und Verweilen einladenden Teppich, auf dem sich einige Gegenstände wie Kissen, Bücher und Objekte befinden, die eine Verbindung und Referenz zu den Orten erschaffen, an dem die Poster gefunden wurden. Dem Besucher bleibt es überlassen die Installation als Ganzes von außen zu betrachten oder den Teppich zu betreten und durch den Akt des Sitzens einen Perspektivwechsel zu vollziehen. Er kann dabei die Poster aus der Nähe betrachten und in den ausgelegten Büchern und Broschüren blättern, die sowohl aus Reiseführern über Europa, als auch aus Reiseberichten und Werbebroschüren für bestimmte Touristengruppen bestehen, die allesamt aus außereuropäischen Bezugsquellen stammen und in arabisch, chinesisch, hindi, urdu, indonesisch, japanisch, spanisch und englisch verfasst sind. Einige dieser Bücher stellen “Reiseführer” dar, die für Flüchtlinge aus den aktuellen Krisengebieten des nahen Ostens, Asiens und Afrikas gemacht wurden und detailiert die Routen über das Mittelmeer und den Balkan nach Europa beschreiben. Durch die Verschiedenartigkeit der Bücher soll auf die ambivalenten Beweggründe einer Reise nach Europa der unterschiedlichen Menschen verwiesen werden und umreisst dadurch aktuelle, politische und soziokulturelle Tendenzen und Geschehnisse einer globalisierten Welt.